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Zeit zum Laden

Dieselbusse im Depot zu betanken ist vergleichsweise einfach und schnell. Viel größer ist die Herausforderung bei einem vollelektrischen ÖPNV-Fuhrpark. Schon die Planung der Ladeinfrastruktur bedeutet eine große technische, finanzielle und zeitraubende Herausforderung.

Der Zeithorizont wird eine immer wichtigere Größe für die Elektromobilisierung des ÖPNV. Denn mit der ohnehin schon schwierigen E-Bus-Beschaffung, der langwierigen und mühseligen Beantragung von Fördermitteln sowie Lieferzeiten bei vielen Stromern von neun bis zwölf Monaten ist es noch längst nicht getan. Lange Genehmigungs- und Umsetzungszeiträume müssen auch bei den nötigen Infrastrukturmaßnahmen bedacht werden. Für die Errichtung eines 110-kV-Umspannwerks gehen leicht vier bis viereinhalb Jahre ins Land, für Schnellladestationen auf der Strecke meist zwei bis drei Jahre. Noch langfristiger muss man nur noch für H2-Anlagentechnik kalkulieren, nämlich gut viereinhalb Jahre.

Die Nettokosten dabei sind nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) enorm: rund 450.000 bis 700.000 Euro pro Elektrosolo bzw. -gelenkbus (vor Förderung), 120.000 bis 250.000 Euro für einen Schnelllademast samt Trafo, 20.000 Euro für ein Depotladegerät, 10.000 bis 100.000 Euro pro Einheit für die Investition in die Werkstatt (etwa für Dacharbeitsplätze), 40.000 bis 80.000 Euro für Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter sowie 50.000 bis 150.000 Euro für eine Wechselbatterie nach ca. sechs bis zehn Jahren Einsatzzeit des E-Busses.

Energiebereitstellung kein Problem

Heute beträgt der Investitionsbedarf für einen Fuhrpark von 115 Euro-6-Bussen, was der mittleren Flottengröße eines VDV-Mitgliedsunternehmens entspricht, rund 35 Mio. Euro bei der Annahme von 80 Gelenkbussen. Für die gleiche Anzahl von E-Bussen schlügen circa 42,4 Mio. Euro nach 80-%-Förderung zu Buche. Hinzu kommen Investitionen in Ladestationen, Netzanschluss und Trafostationen (ca. 15 Mio. Euro) sowie die Ertüchtigung und Erweiterung von Betriebshof und Werkstatt (ca. 5 Mio. Euro). Summa Summarum würde die Umstellung vom Dieselbetrieb auf eine gleichwertige E-Bus-Flotte also etwa 87,11 Mio. Euro kosten, was einem Faktor von 2,5 entspricht.

Es gibt allerdings auch eine gute Nachricht: Der VDV hat berechnet, dass der Gesamtenergiebedarf der Betriebshöfe für eine komplett elektrifizierte Flotte von knapp 1.800 Einheiten wie etwa in Hamburg rund 132 GWh im Jahr benötigt. Umgerechnet auf eine rund 40.000 Einheiten starke deutsche ÖPNV-Linienflotte von Stromern hieße das einen Energieaufwand von rund 2,5 TWh. In der Relation: Deutschland hat 2021 ca. 492 TWh Strom produziert, davon gut 225 TWh aus erneuerbaren Quellen. Die Energiebereitstellung sollte also, sofern die nötige Infrastruktur aufgebaut ist, kein Problem darstellen.

Die Implementierung einer kompletten Ladeinfrastruktur in ein bestehendes Depot ist kompliziert. Bild: Claus Bünnagel

Wie gelingt der Depotumbau?

Die Implementierung einer kompletten Ladeinfrastruktur in ein bestehendes Depot ist kompliziert. Eine zentrale Frage steht am Anfang eines solchen Prozesses: Ist mein Betriebshof dafür ausgelegt? Denn sprechen das Raumangebot, das Alter der Anlage oder andere Gründe gegen einen Weiterbetrieb, hilft in einigen Fällen nur ein Neubau in der Regel auf der „grünen Wiese“ – wie man es teilweise beispielsweise in Hamburg beobachten kann. Ansonsten kann auch eine Erweiterung des bestehenden Betriebshofs oder der Umbau der vorhandenen Halle zur Aufnahme einer Ladeinfrastruktur ins Auge gefasst werden.

Dabei sollte aber beachtet werden: Vergleicht man die aktuelle Lastsituation heute mit der von morgen, nämlich dem vollelektrischen Betrieb von E-Bussen, stehen Spitzenlasten von Dutzenden Kilowattstunden der von mehreren 1.000 kW gegenüber – etwa im alltäglichen Fall, dass mehrere Fahrzeuge an Schnellladern mit z.B. 150 kW gleichzeitig aufgeladen werden. Es darf vermutet werden, dass es hierbei für einen Versorgungsanschluss, der nur niederspannungsseitig ausgeführt wird, problematisch wird. Das kann in der Regel keine Ortsnetzstation leisten. Daher wird man hier eine mittelspannungsseitige Anbindung favorisieren, die in der Regel vom Netzbetreiber, dem Vorlieferanten, gewährleistet wird. Gegebenenfalls kann der Kunde eine eigene Mittelspannungsstation erhalten, was kostenseitige Mehrwerte bedeuten könnte. Zwar sind die Errichtung und der Betrieb einer Mittelspannungsanlage kostenintensiv, die Stromgestehungskosten aber erheblich geringer – mehr als 50 %.

Kontrolle tut not

Zum einen sollte also die mögliche Leistung des regionalen Verteilnetzes im Rahmen einer objektivierten und systematischen Zustandsbewertung betrachtet werden. Zum anderen muss das eigene „Haus“ oder Betriebsnetz einer Überprüfung unterzogen werden. Insbesondere Verkehrsunternehmen, die auf kompletten E-Busbetrieb umstellen wollen, müssen sich der Frage stellen, ob das vorhandene Netz, das ja eigentlich für die Versorgungsaufgabe eines gewöhnlichen Busbetriebs mit Diesel- oder CNG-Bussen aufgebaut worden ist, auch den Lastanforderungen eines E-Bus-Betriebs oder der Zusatzversorgung genereller Ladeinfrastruktur wie z.B. für Mitarbeiterladen gewachsen ist.

Dazu bedarf es geschulter Kräfte, der Verwendung eines Schadenkatalogs und des Einsatzes eines objektiven Messverfahrens. Daneben sind aber auch auf den ersten Blick simple Überprüfungen nötig: Gibt es einen nahen Transformator zum Mittelspannungsnetz? Wie können seine Zugänglichkeit und sein Zustand bewertet werden? Begehungen mit Sichtkontrollen und anschließende elektromesstechnische Messungen helfen hier unmittelbar weiter, um später keine bösen Überraschungen zu erleben. Auch eine thermografische Überprüfung von Mittel- und Niederspannungsschaltanlagen sowie Transformatoren ist ratsam, um mögliche Schäden zu detektieren.

Nichts geht über Berechnungen

Nach der ersten Planungsphase folgt die Erstellung eines rechenfähigen Netzmodells (iNP). In der Lastflussberechnung werden die Parameter Strom, Spannung, Auslastung und Leitungsverluste betrachtet. Mit diesen Daten geht es in die Use-Case-Analyse. Die Aufgabenstellung besteht hier zunächst darin, Mittelspannungsnetze und Niederspannungsabgänge zu modellieren. Eine Lastflussberechnung ermittelt die Betriebsmittelauslastungen. Diese Ergebnisse dienen als Basis z.B. für Ausschreibungen und zukünftige Erweiterungen im Bereich der E-Mobilität. Dabei sollten unbedingt freie Anschlusskapazitäten auf Mittel- und Niederspannungsseite sowie freie Netzanschlusskapazitäten in die Berechnungen aufgenommen werden. Es empfiehlt sich, Kabelquerschnitte gemäß einer zukünftig möglichen Endausbaustufe zu dimensionieren – für z.B. max. 150 E-Busse in einem Depot, nicht nur für die ersten 30.

Eine besondere Herausforderung ist die Trassierung der Stromleitungen auf dem Betriebshof. Oft müssen komplizierte Kabelverlegungen auf begrenztem Raum geplant oder vorhandene Leitungen geortet werden. Unter Umständen sind komplexe Schachtbauwerke auch für den wiederkehrenden Kabelzug anzulegen. Mitunter müssen Spundwände mit hohem baulichem und finanziellem Aufwand untergraben werden. Kabelkanäle, über die regelmäßig die Busse rollen, müssen der Belastung standhalten. Gleichzeitig besteht immer die Gefahr der Destabilisierung des Untergrunds durch Baumaßnahmen.

Eine Ladung über einen hängenden Pantografen ist oft sinnvoll. Bild: Claus Bünnagel

Ladeinfrastruktur sinnvoll planen

Neben dem Netzanschluss und den Kabeltrassen ist die Planung der Ladeinfrastruktur ein weiteres zentrales Thema. Denn die braucht es immer auf dem Betriebshof, ob nun Depot- oder Gelegenheitsladung bevorzugt wird. Bei Neubauten wird gegenwärtig aus räumlichen und thermischen Gründen favorisiert, die Ladetechnik auf einer eigenen Ebene im Dachbereich unterzubringen. Nicht selten geht von der Ladeinfrastruktur auch eine nicht zu unterschätzende Brandgefahr aus. Es empfiehlt sich eine Zusammenarbeit mit Experten von der Feuerwehr.

Nicht nur vor diesem Hintergrund ist es oft ratsam, die Ladegeräte räumlich von den parkenden Bussen in der Halle zu trennen, indem man sie wie erwähnt vorzugsweise auf einer Ebene über den Standflächen platziert. Denn viele sind für den bisherigen Dieselbusbetrieb so dimensioniert, dass maximal 80 bis 100 cm zwischen den einzelnen Bussen Platz ist. Ein Lader allerdings weist eine Breite von bis zu 1,60 m inklusive Rammschutz sowie Standsockel auf, sodass es bei seiner ebenerdigen Aufstellung zu Platzproblemen kommen dürfte. Eine Ladung über von der Decke hängende Kabel oder bei Gelegenheitsladern über den meist ohnehin vorhandenen Pantografen ist daher sinnvoll.

Bei allen Planungen sollten der Zeit- und Kostenfaktor im Auge behalten werden. Nicht nur die Bewilligung von Fördergeldern für E-Busse dauert mitunter bis zu einem Jahr. Für den elektromobilen Umbau des Betriebshofes sind zudem eine Vielzahl notwendiger öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Genehmigungen erforderlich. Auch das Erstellen eines Lastenhefts oder Leistungsverzeichnisses braucht ebenso Zeit wie das Anlegen und Pflegen von unerlässlichen Dokumentationen nach Abschluss der Arbeiten.