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Wasserstoff statt Diesel

Immer mehr Lkw sind auf den Straßen unterwegs. Strengere Umweltauflagen und steigende Kraftstoffpreise erfordern ein Umdenken bezüglich des Antriebs. Welche Rolle kann dabei Wasserstoff als Energieträger spielen?

Der Transportsektor boomt weltweit. In Deutschland lag die beförderte Menge an Gütern im Jahr 2018  bei 3,75 Milliarden Tonnen. Prognosen gehen trotz Pandemie und kriegerischen Auseinandersetzungen von mittelfristig steigenden Güterverkehrsaufkommen aus. Diese wachsenden Transportzahlen führen auch zu einem stärkeren Verkehr, mehr Lärm, erhöhtem Treibstoffverbrauch und damit auch zu steigenden Kohlenstoffdioxid-Emissionen: Der Straßengüterverkehr mit schweren und leichten Nutzfahrzeugen inklusive Bussen machte 2019 mit 58,3 Millionen Tonnen CO2 rund ein Drittel der Verkehrsemissionen aus.  Um die CO2-Emissionen von Nutzfahrzeugen zu reduzieren, sehen EU-Vorgaben vor, den durchschnittlichen Ausstoß bei neu zugelassenen Lkw bis 2025 um 15 Prozent und bis 2030 um 30 Prozent zu senken. Eine große Herausforderung. Hinzu kommt: Die aktuell immer weiter steigenden Preise für Kraftstoffe stellen die Logistikbranche vor substanzielle Probleme.

Batterieelektrische Antriebe passen nicht zu jedem Einsatzzweck

Auch in der Logistikbranche sind E-Fahrzeuge auf dem Vormarsch. Bei den batterieelektrischen Fahrzeugen gibt es allerdings Hürden. Sie lohnen sich zwar bei kleineren Lkw mit bis zu 2,8 Tonnen Nutzlast, ihr Einsatz im Schwer- und Fernverkehr sowie bei Baustellenfahrzeugen oder Straßenkehrmaschinen ist allerdings überaus anspruchsvoll. Das Mehrgewicht für Batterien und die Kosten sind erhebliche Hürden für deren Einsatz. Dazu kommen die nicht immer ausreichenden Reichweiten, lange Ladezeiten und eine fehlende Ladeinfrastruktur. Dennoch: Besonders im Schwerlastbereich muss dringend nachgebessert werden, weil gerade diese Fahrzeuge den größten CO2-Ausstoß vorweisen und daher die Notwendigkeit zur Umstellung hier besonders dringlich ist. Deshalb ist es einerseits notwendig, die Ladeinfrastruktur schnellstmöglich auszubauen, anderseits lohnt sich der Blick auf andere Technologien – beispielsweise Wasserstoff.

Allein in Europa sollen bis 2030 rund 100.000 Wasserstoff-Lkw unterwegs sein, hinzu kommen 1500 Wasserstofftankstellen. Um das zu bewerkstelligen, haben sich 62 Unternehmen zusammengeschlossen, darunter Lkw-Hersteller, Zulieferer, Energieversorger, Logistikbetriebe.

So funktioniert der Wasserstoffantrieb

Farblos, geruchlos, brennbar, häufigstes chemisches Element im Universum, mit der geringsten Dichte aller Stoffe, vergleichsweise einfach aus gewöhnlichem Wasser herzustellen und vor allem gut zu speichern und zu transportieren – das ist Wasserstoff.

Beim Brennstoffzellenantrieb wird dieser in einem Tank im Fahrzeug mitgeführt, über eine Brennstoffzelle per Reaktion mit Sauerstoff zu Strom umgewandelt und treibt so die Elektromotoren an. Als Abgas entsteht Wasserdampf. Vorteil der Technologie: Große Tanks ermöglichen hohe Reichweiten mit einer Füllung, die Tankvorgänge sind den bisherigen Abläufen ähnlich – in einer Branche, in der Zeit Geld ist, ist das wichtig. Zudem ist der Wirkungsgrad mit rund 60 Prozent (Verbrennungsmotor: 30 Prozent) recht hoch – und Emissionen fallen keine an. Nachteil: Brennstoffzellen sind zwar langlebig (ca. 10.000 Betriebsstunden), aber hochkomplex und aktuell noch recht teuer.

Auch auf eine andere Weise lässt sich Wasserstoff als Treibstoff einsetzen: Hersteller und Zulieferer arbeiten an einer Lösung, bei der Wasserstoff einen Verbrennungsmotor antreibt. So könnten vorhandene Strukturen genutzt sowie Kosten durch Entwicklung und auch im Unterhalt eingespart werden. Vorteile: Verbrennungsmotoren ließen sich umrüsten, wie etwa von IAA Transportation-Aussteller Clean Logistics, und kämen auch mit einer schlechteren Wasserstoffqualität klar. Jedoch ist die Effizienz geringer als bei der Brennstoffzelle; zudem entstehen geringste Emissionen durch mitverbrannte Schmierstoffe. Im Rahmen der Abgasnachbehandlung könnten diese jedoch komplett herausgefiltert werden.

Diese Hersteller forschen am Wasserstoffantrieb

Etablierte Hersteller und Newcomer liefern sich ein Rennen darum, wer das effizienteste, fortschrittlichste und reichweitenstärkste Fahrzeug auf den Markt bringt. Eingerahmt wird dies von zahlreichen nationalen Förderprogrammen, um klimafreundliche Fahrzeuge zu fördern. So stellt das Bundesverkehrsministerium in Deutschland zum Beispiel bis 2024 insgesamt 1,6 Milliarden Euro für die Förderung der Anschaffung klimafreundlicher Nutzfahrzeuge sowie circa fünf Milliarden Euro für den Aufbau der Tank- und Ladeinfrastruktur bereit.

  • Daimler Truck und Volvo entwickeln zusammen ein Brennstoffzellensystem für Lkw, dessen Serienproduktion in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts beginnen soll. Auch Renault ist daran beteiligt.
  • Von Daimler Truck selbst gibt es bisher den Schwerlast-Lkw-Prototyp GenH2 mit zwei Brennstoffzellen, zwei E-Maschinen und zwei Edelstahltanks für 80 Kilogramm Flüssigwasserstoff, der bei minus 253° Celsius gelagert wird. Hierbei ist die Energiedichte höher und der Platzbedarf geringer; die Verflüssigung ist aber energieaufwendig. Die Trucks erhielten im Oktober 2021 eine Straßenzulassung, werden aktuell intensiv erprobt und sollen ab 2025 in Serie ausgeliefert werden. Die Technologie ermöglicht Reichweiten bis zu 1000 Kilometer.
  • MAN entwickelt sowohl Wasserstoff-Verbrennungsmotoren als auch  Brennstoffzellenantriebe. Außerdem kooperiert MAN-Mutterkonzern Traton mit dem zu Toyota gehörenden japanischen Lkw-Hersteller Hino beim Brennstoffzellenantrieb.
  • FAUN bietet als einer der ersten Anbieter weltweit Lastkraftwagen mit Wasserstoffantrieb in Serie an. Basierend auf dem Econic-Fahrgestell von Daimler Trucks, hat der auf Kommunalfahrzeuge spezialisierte Fahrzeughersteller den dreiachsigen „BLUEPOWER“, als Trägerfahrzeug für Müllsammel- oder Kehrmaschinen-Aufbauten im Programm. Auf Grundlage des zweiachsigen Atego soll 2023 der flexibel einsetzbare „CITYPOWER“ für Waren- und Gütertransport auf den Markt kommen.
  • Toyota und Hino wollen ab diesem Jahr Brennstoffzellen-Lkw mit 25 Tonnen Gesamtgewicht in der Praxis erproben. In China arbeitet Toyota mit fünf chinesischen Firmen in der »United Fuel Cell Systems R&D« zusammen, um Brennstoffzellen-Lkw zu entwickeln.
  • Das US-Unternehmen Nikola und Iveco aus Italien werden in Ulm das Modell Nikola Tre herstellen. Der Lastwagen soll in einer batterieelektrischen Variante und ab 2023 in einer Version mit Brennstoffzellenantrieb und Wasserstoffdrucktanks gebaut werden. Bosch liefert unter anderem Brennstoffzellen und Zentralrechner.
  • Hyundai fertigt nach eigenen Angaben den ersten schweren Lkw mit Brennstoffzellen-Elektroantrieb in Serie – den Xcient Fuel Cell. Die ersten Exemplare sind unter anderem in der Schweiz für Speditionen sowie die Handelsketten Coop und Migros im Einsatz. Bis 2025 will Hyundai 1.600 dieser Wasserstoff-Lkw dort einsetzen.
  • Die US-Firma Hyzon Motors hat im vergangenen Sommer im niederländischen Groningen eine Europazentrale gegründet. Dort werden auf Basis einer Sattelzugmaschine des Herstellers DAF erste Brennstoffzellen-Lkw gebaut.

Erste Kunden setzen auf Wasserstoff

In Deutschland planen bereits mehrere Unternehmen, in ihrer Schwerlastlogistik Wasserstoff-Lkw einzusetzen – darunter die Einzelhandelskette Edeka oder der Frischedienstleister Meyer Logistik. Auch im Nahverkehr gibt es zahlreiche Überlegungen, Busse mit Brennstoffzellen auszurüsten, beispielsweise im Schwarzwald.

Grundvoraussetzung grüner Wasserstoff

Damit der Antrieb mit Wasserstoff – ob mit Brennstoffzelle oder mit Wasserstoff-Motor – allerdings klimaneutral ist, kommt es auf die Gewinnung des Treibstoffs an: Der aktuell vorrangig verwendete graue Wasserstoff wird in erster Linie aus Erdgas erzeugt. Hierbei wird Wasser unter Energieaufwand in seine Einzelbestandteile aufgespalten. Durch den Erdgas-Einsatz werden allerdings CO2-Emissionen freigesetzt.

Umwelttechnisch gesehen ist der Wasserstoff-Antrieb nur dann sinnvoll, wenn der Energieträger aus erneuerbaren Quellen stammt. Experten sprechen hier von grünem Wasserstoff: Hierbei wird Wasser durch grünen Strom in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Zwar geht hier Energie durch den Umwandlungsprozess verloren – als Nebenprodukte werden aber nur Wasser und Wasserdampf frei. Grüner Wasserstoff ist allerdings noch Mangelware. Der Bedarf dürfte in den noch CO2-intensiveren Branchen Luftverkehr und Metallverarbeitung künftig steigen. Grüne Energie muss deshalb künftig gespeichert und auch aus dem Ausland importiert werden – erste Projekte dafür gibt es beispielsweise in Australien.

Wasserstoff – mehr als ein Treibstoff für Lkw

In der Intralogistik kommt die Brennstoffzellen-Technologie bereits seit mehreren Jahren zum Einsatz, zum Beispiel bei den Flurförderfahrzeugen. Linde produziert schon seit Längerem Niederhubwagen, Schlepper und Stapler mit Wasserstoff als Treibstoff. Sie bieten gegenüber batteriebetriebenen Fahrzeugen einen großen Vorteil durch kurze Tankzeiten.

Wie viele Tankstellen braucht es?

Grundlage für einen Güterverkehr mit Wasserstoff-Fahrzeugen ist ein flächendeckendes Netz an Tankstellen. Die europaweit existierenden Tankstellen reichen allerdings nicht. Mindestens 140 sind einer Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI in Deutschland notwendig, um 2027/2030 Brennstoffzellen-Lkw mit Wasserstoff zu versorgen. Dank eines neuen Investors will Anbieter H2 Mobility sein Angebot in Deutschland bis 2030 auf bis zu 300 Tankstellen, hauptsächlich für Pkw, ausbauen – und zusätzlich die Kapazitäten der einzelnen Standorte insgesamt verfünffachen. Und es sollen mehr Möglichkeiten für schwere Fahrzeuge geschaffen werden. Der Zugang zu den Tankstellen muss für Lkw und Busse an allen Standorten möglich werden.

Potenzial auch für andere Branchen

Auch in anderen Mobilitätssektoren kommt Wasserstoff inzwischen zum Einsatz – beispielsweise bei einer Fähre in San Francisco. Auch Züge fahren testweise mit Brennstoffzellen-Antrieb. Und auch in der Luftfahrt sind Kraftstoffe auf Wasserstoffbasis in der Erprobung.