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Feuerwehr, Krankenwagen und Bus zuerst!

Big Data, Künstliche Intelligenz (KI) und 5G machen unsere Städte smart: Intelligente Verkehrsmanagementsysteme orchestrieren den Stadtverkehr effizient. Das Ergebnis: Keine Autokolonnen mehr, die sich im Schneckentempo durch die Straßen schlängeln. Busse, Krankenwagen sowie Feuerwehr erreichen trotz Rush Hour schnell ihr Ziel. Davon profitieren Mensch und Umwelt – und auch Fahrende von Nutzfahrzeugen aller Art, die in der Stadt unterwegs sind.

Weltweit wachsen die Städte, ihre Einwohnerzahl nimmt stetig zu. Bis 2030 werden laut Schätzungen der Vereinten Nationen etwa 60 Prozent der Weltbevölkerung im urbanen Raum wohnen. 2021 waren das 4,5 Milliarden Menschen, also 57 Prozent der knapp acht Milliarden, die auf der Welt leben. Derzeit gibt es 34 Megacitys mit jeweils mehr als zehn Millionen Einwohnern. Sie alle sind in ihrem Wohn- und Arbeitsumfeld mit dem Auto, zu Fuß oder mikromobil unterwegs, suchen Parkplätze, nutzen den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), lassen sich Waren liefern oder kaufen in Geschäften ein, die beliefert werden müssen.

Die städtische Mobilitätslandschaft wird komplexer, mehr und mehr Akteure sind auf den Straßen unterwegs. Sollen die Städte lebenswert und sauber bleiben, müssen die Behörden den Verkehr völlig anders dirigieren als bisher. Neueste Technologien helfen, Staus sowie Emissionen zu vermeiden und die Verkehrssicherheit zu erhöhen.

 

Was ist Verkehrsmanagement?

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Grüne Welle durch adaptive Verkehrsteuerung

Die Schlagworte hierfür sind: Big Data, künstliche Intelligenz, Car 2 X und Connectivity. Unternehmen wie Yunex Traffic, Swarco und Kapsch haben intelligente Verkehrsmanagementsysteme entwickelt, die Verkehrs- und Umweltdaten auslesen. Diese werden für eine Verkehrsführung verwendet, die Reisezeit sowie Ausstoß von CO2 und NO2 verringert. Die Daten werden anonymisiert und zur Verkehrssteuerung genutzt.

Intelligente Traffic-Systeme (ITS) erkennen die unterschiedlichen Fahrzeugklassifizierungen sowie Fußgänger und Radfahrer – und passen die Verkehrssteuerung den speziellen Mobilitätsbedürfnissen der Stadt an. Diese variieren je nach Ort, Situation, Verkehrslage, Tageszeit, Wetter oder Umweltbelastung. So kann zum Beispiel während der Rush Hour der Autoverkehr priorisiert werden. Zu Schulzeiten, bei Unterrichtsende sowie während der Abholzeit aus der Kita ließe sich dagegen dem Fußverkehr Vorrang einräumen. ÖPNV, Polizei, Krankenwagen oder Lieferfahrzeuge können bevorzugt werden.

Ebenso kann der Individualverkehr schnell aus einer besonders kritischen Zone herausgeleitet oder Fahrzeuge umgeleitet werden, bevor sie in einen Stau einfahren. Alle Daten fließen in einer Leitzentrale zusammen, die den gesamten Stadtverkehr steuert. Sie programmiert zum Beispiel auch dynamische Verkehrszeichen, die den Verkehrsteilnehmern Empfehlungen zu Geschwindigkeit und Straßennutzung geben. Wer sich daran hält, kommt auf einer grünen Welle durch die Stadt und vermeidet emissionsträchtiges Stop-and-Go.

Mittels intelligenter Verkehrssysteme können für Fußgänger zu bestimmten Uhrzeiten längere Grünphasen eingestellt werden. Foto: Rodan Can / Unsplash

Zusammenspiel von Hard- und Software

Zwar muss für die Installation eines ITS die städtische Infrastruktur aufgerüstet werden, doch vorhandene Infrastrukturelemente können erweitert und in das System integriert werden. Wie das funktioniert, zeigt das Beispiel Wiesbaden: Mit dem Projekt Digi-V versucht die hessische Landeshauptstadt, nicht mehr eine der 70 deutschen Städte zu sein, die regelmäßig den Stickoxid-Grenzwert überschreiten – und Fahrverbote in der Innenstadt zu vermeiden.  

Alle Ampelanlagen auf dem Hauptstraßennetz erhalten eine Steuer-, Kamera- und Sensor-Technik. So wurden 227 Ampeln umgebaut, 50 Umwelt- oder Wettersensoren und etwa 400 Kameras eingesetzt. Sie unterscheiden zwischen Verkehrstypen wie Lkw, Pkw, Bus, Fahrrad oder Fußgänger. Gesichter oder Kennzeichen werden dabei nicht ausgelesen. Sensoren messen Schadstoffe wie Stickoxid und Feinstaub in der Luft. Diese und zusätzlich Wetterdaten werden mit den Informationen zu Verkehrsdichte und Verkehrstypen verknüpft und ausgewertet. Die Verkehrsteilnehmer erhalten über dynamische Verkehrszeichen Routen- und Geschwindigkeitsempfehlungen.

Der Verkehr wird so orchestriert, wie die Menge der Verkehrsteilnehmenden und die Umweltinformationen es erfordern – zum Beispiel werden Busse des ÖPNV bevorzugt, so dass sie schneller an ihr Ziel kommen. Für die Wiesbadener lohnt es sich dann, ihr Auto stehen zu lassen.

Das Projekt DIGI-V digitalisiert den Verkehr in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden und soll helfen, Emissionen zu vermeiden.

Was ist DIGI-V?

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Roadsite Units kommunizieren mit Onboard Units

Fahrzeuge können aber auch direkt mit der Infrastruktur der Städte kommunizieren: Intelligente Ampelschaltungen, flexible Straßenschilder oder auch smarte Parkplätze können über Funktechnologien wie 5G und über ein Funkmodul, eine Roadside Unit (RSU), mit den Verkehrsteilnehmern Daten austauschen. RSUs können vielerorts angebracht werden – an Brücken oder Ampeln zum Beispiel. Sie senden und empfangen Signale.

Über Onboard Units (OBU) in Fahrzeugen können die Verkehrsteilnehmer in Echtzeit zum Beispiel vor Geschwindigkeitsbegrenzungen oder Staus gewarnt werden. Fahrzeuge mit entsprechender OBU melden über diese ihre aktuelle Position, Fahrtrichtung und Geschwindigkeit. Die RSU empfängt die Informationen und leitet sie weiter an das zentrale Verkehrsmanagementsystem. Dieses wiederum steuert selbstständig Grün- oder Rotphasen an Ampeln oder digitale Verkehrsschilder. Krankenwagen und Feuerwehr können beispielsweise ohne Störung über Kreuzungen fahren, weil die Infrastruktur sie erkennt.

Vorfahrt für den Bus: Intelligente Traffic-Systeme (ITS) erkennen unterschiedliche Fahrzeuge. Foto Juan Sebastian Useche / Unsplash

Verkehrssteuerung im Straßenbelag

Die Steuerung des Verkehrs über intelligente Technologien kann sogar über den Straßenbelag erfolgen: Das Start-up Integrated Roadways aus dem US-amerikanischen Kansas City hat ein smartes Straßenpflaster entwickelt, das darüberfahrende Fahrzeuge erkennt. Statt des Asphalts erhalten die Straßen vorgefertigte Betonplatten, in die Sensoren integriert sind. Sie erfassen die Fahrzeuge und übermitteln deren Standort und Geschwindigkeit.

Der intelligente Straßenbelag ist keine reine Vision mehr: Als erste Stadt in den USA hat Denver bereits 2018 das „Smart Pavement“ von Integrated Roadways eingesetzt und vier der cleveren Platten installiert. Im Herbst 2022 startet das Unternehmen in Lenexa im US-Staat Kansas ein 250 Millionen Dollar teures Pilotprogramm: An fünf Kreuzungen im Zentrum der Stadt werden Straßenabschnitte aus Beton eingesetzt, die mit digitaler Technologie und Glasfaserverbindungen für die Erfassung von Verkehrsdaten durch Sensoren ausgestattet sind. Der Belag ermöglicht Wi-Fi-Zugang, 5G, drahtloses Aufladen von Elektrofahrzeugen und mehr durch Antennen in den Erweiterungsanschlüssen sowie Edge-Services und Cloud-Zugang.

Smart City ist das Konzept der Zukunft

In Deutschland ist das noch Zukunftsmusik. Die wenigsten Städte und Kommunen verfügen über den notwendigen Grad an Digitalisierung. Auch haben sie oft keine umfassenden Daten zum örtlichen Verkehrsangebot und können die tatsächliche Verkehrsnachfrage sowie Qualität des Verkehrsablaufs in ihrem Gebiet nicht umfassend abschätzen.

Deshalb empfiehlt der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur die Standardisierung von Daten im Verkehrssektor zu fördern. Auch sollen bundesweit einheitliche Regelungen erarbeitet werden, die die Verantwortung für die Bereitstellung von Planungsdaten festlegt. Zudem sollten Bund und Länder mit den Anbietern von Mobilfunkdaten und Floating-Car-Daten Regelungen finden, die Städten und Regionen einen einfachen Zugriff auf Nachfrage- und Verkehrsablaufdaten ermöglichen.

All das könnte dazu beitragen, die beiden Megatrends des 21. Jahrhunderts, Urbanisierung und Big Data, im Konzept der Smart City aufgehen zu lassen. Werden die neuen Technologien richtig verwaltet und genutzt, können Big Data, künstliche Intelligenz und Automatisierung unsere städtische Mobilität nachhaltiger machen. Wie wir unsere Städte gestalten – die Digitalisierung eingeschlossen – wird für die Entwicklung von Treibhausgasemissionen und Klimaschutz entscheidend sein.