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Emissionsfreie Transporter: Die Entwicklung geht weiter
Elektrifizierung unter Hochdruck
Die Automobilhersteller elektrifizieren derzeit unter Hochdruck die Modellpaletten ihrer Lieferwagen und Transporter. Doch für die nicht allzu ferne Zukunft werden bereits völlig neue Ideen angedacht.
Mit Blick in die Zukunft der Lieferwagen und Transporter hat Mercedes Benz Vans jüngst einen Technologieträger für einen nachhaltigen City-Transporter auf Basis des eSprinter vorgestellt. Beim sogenannten Sprinter Sustaineer realisiert der Hersteller neben dem vollelektrischen Antrieb verschiedene weitere Ideen, die das Fahrzeug für eine City-Belieferung prädestinieren sollen.
Der Van, der hinter sich saubermacht
Dem Umweltaspekt tragen etwa ein während der Fahrt und beim Laden aktiver Feinstaubfilter am Frontmodul sowie ein passiver Sammler im Unterboden Rechnung, der die fahrzeugeigenen und fremden Partikel auffängt. Der eigene Feinstaub, etwa auch durch die Bremsscheiben, soll mittels Keramikbelag per se reduziert sein, zudem will man auch die Spritsparpneus besonders abriebfest gestaltet haben. Und sowieso verzögert das E-Fahrzeug tendenziell weniger über die Betriebsbremse, sondern in vielen Fällen des Alltags per Rekuperation.
In Summe sollen die mit dem Filterspezialisten Mann + Hummel entwickelten Filter bilanziell zusammen bis zu 50 Prozent der vom Fahrzeug emittierten Partikel aufnehmen können, bei geringem zusätzlichen Energieverbrauch des Systems. Freilich sieht das Konzept dann turnusmäßige Wechselintervalle für den Filter vor.
Das Filter-Feature könnte noch relevant werden, wenn die Spezifikationen der Euro-7-Norm auch die Gesamtfahrzeugemissionen, nicht nur die des Motors, berücksichtigen. Laut Mann + Hummel machen die Abgasemissionen nur etwa zwölf Prozent des Feinstaubaufkommens aus, je etwa ein Drittel geht auf das Konto von Reifen- und Bremsabrieb sowie dem allgemeinen Aufkommen an Straßenstaub.
Ob und wann die Features in die Serie finden, steht noch nicht fest. Die nächsten Schritte, das hat das Unternehmen bereits angedeutet, sollen der Launch des verbesserten und „versatilen“ E-Plattform des eSprinter im zweiten Halbjahr 2023 sowie der Start einer komplett unabhängig entwickelten E-Van-Architektur „ab Mitte der Dekade“ sein.
Fragezeichen beim ID. Buzz
Bei Volkswagen basiert der neue ID. Buzz auf dem MEB-Baukasten und dürfte deutlich unter dem T7 positioniert werden. Er könnte dank guter Raumausnutzung aber fast ebenso viel Platz auf 4,70 Meter Länge bieten. Fraglich ist, ob VW vor allem für die geschlossene Nutzfahrzeug-Variante mit dem Namenszusatz „Cargo“ noch eine längere Version mit vergrößertem Radstand bringen wird.
Das Batterie-Pack und die Antriebseinheiten sind im Boden platziert, der Ladeboden ist eben. Noch ein Fragezeichen steht hinter den Motorisierungen und den Akku-Größen. Neben den 58- und 77-kWh-Akkus könnte es zumindest in der Langversion auch einen 100-kWh-Akku geben. So sollen knapp 300 bis über 500 km Reichweite nach WLTP drin sein. Damit ist das Setup deutlich moderner als beim jüngst neu vorgestellten T7 auf der Pkw-Konzern-Plattform MQB, den es lediglich als Plug-in-Hybrid-Modell mit maximal 50 Kilometer elektrischer Reichweite gibt.
Hydrogen-Vans bei Miele und Suez
Dass die emissionsfreie Zukunft auch bei den Transportern nicht nur batterieelektrisch sein könnte, zeigt die Stellantis-Tochter Opel. Das Unternehmen hat den ersten Vivaro-e Hydrogen mit Brennstoffzellen-Hybrid-Antrieb ausgeliefert. Das Fahrzeug soll im Fuhrpark des Hausgeräteherstellers Miele im täglichen Außendienst im Rhein-Main-Gebiet eingesetzt werden.
Die neue Variante verfügt über einen Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb mit Plug-in-Batterie und soll vollgetankt mehr als 400 Kilometer weit fahren (WLTP). Die 45-kW-Brennstoffzelle liefere dabei genug Leistung für längere Fahrten auf der Autobahn. Das Auftanken mit Wasserstoff dauert etwa drei Minuten. Beim Start oder Beschleunigen unterstützt die unter den Vordersitzen untergebrachte 10,5-kWh-Lithium-Ionen-Batterie, um Lastspitzen abzudecken. So soll das Brennstoffzellensystem immer unter optimalen Betriebsbedingungen arbeiten, was die Lebensdauer erhöhe.
Darüber hinaus bietet das Modell den Vorteil eines Hybrid-Systems, indem Bremsenergie zurückgewonnen und über den Elektromotor als Generator in Form von Strom in die Batterie gespeist werden kann. Dank der Plug-in-Möglichkeit lasse sich die Batterie bei Bedarf auch extern aufladen, sodass das Fahrzeug 50 Kilometer rein batterie-elektrisch zurücklegen kann. Der Vivaro-e Hydrogen verfügt serienmäßig über einen dreiphasigen Onboard-Charger (11 kW) sowie über ein Mode-2-Ladekabel.
Die gesamte Antriebstechnik sei so untergebracht, dass der Transporter gegenüber herkömmlichen Verbrennern keine Einschränkungen beim Laderaumangebot erfordere. In zwei Längen stehen 5,3 oder 6,1 Kubikmeter bereit (4.959 und 5.306 Millimeter). Die Nutzlast beträgt bis zu 1.000 Kilogramm.
Ergänzend zu Opel ist auch bei der Stellantis-Schwester Citroën das erste Modell des ë-Jumpy Hydrogen vom Stapel gerollt. Als Erstkunde wird der französische Energieversorger Suez Group bedient. Der Plug-in-Hybrid-Van, der auf dem batterieelektrischen Modell mit einer allerdings auf 10,5 kWh verkleinerten Lithium-Ionen-Batterie basiert und eine 45-kW-Brennstoffzelle samt 4,4 kg H2-Tank zur Reichweitenverlängerung bis auf 400 Kilometer kombiniert, soll im realen Einsatz erprobt werden.
Start-up mit Radnabenmotoren
Doch auch ganz neue Ansätze für den Transporter der Zukunft sind bereits erkennbar. So habe man beim Start-up Indigo laut CEO Will Graylin „die robotic wheels erfunden, die mehr Platz und Komfort für kleine städtische Elektrofahrzeuge ermöglichen.“ Dieses nicht ganz unaufwendige Antriebskonzept mit Radnabenmotoren habe demnach mehrere Vorteile. Denn ohne Getriebe und Motor zwischen den Rädern bietet der Indigo Flow genannte Van einen niedrigen, flachen Boden, der mehr Laderaum bieten soll als jedes andere Fahrzeug seiner Größe. Zudem soll die aktive Aufhängung in jedem Rad laut Unternehmenschef Graylin für einen „erstaunlichen Fahrkomfort zu einem erschwinglichen Preis“ sorgen.
Der Fahrer sitzt in dem Fahrzeug immer mittig und hat dort Bein- und Fußraum, wo sonst der Motor sitzt. Dies erlaube es, den Fahrersitz nach vorn zu rücken und dahinter mehr Ladelänge und -volumen oder Raum für die Passagiere zu schaffen. Im Rahmen der Fahrzeugpräsentation nannte Indigo auch interessante Personalien: Volker Kaese, ehemaliger Head of Innovation Product Management bei Audi, wurde als Chief Technology Officer vorgestellt. Kaese gehört zu den Treibern innovativer Konzepte: Im VW-Konzern hat er unter anderem die Entwicklung des Ein-Liter-Volkswagen XL1 und der Audi e-tron Showcars geleitet.
Leider handelt es sich bei den Vans Flow und Flow Plus noch um Studien. Zur Produktion oder einem möglichen Markteinführungstermin hat Indigo noch keine Angaben gemacht.