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Am E-Bus geht kein Weg mehr vorbei

Bild: Claus Bünnagel

Bild: Claus Bünnagel

Berlin, 23. Februar 2022

Umbau des europäischen Verkehrswesens

Für einen ökologischen Umbau des deutschen und europäischen Verkehrswesens macht es u.a. großen Sinn, zum einen den ÖPNV gegenüber dem Individualverkehr zu stärken und ihn zum anderen zu elektrifizieren.

Auf ersterem Weg hilft kurzfristig nur der Bus für schnelle Umsetzungen. Der S-Bahn-Bau beispielsweise bietet durch die langen Planungshorizonte nur Perspektiven für die Zeit ab 2030 bis 2035. Und die Verkehrsunternehmen reagieren: Aktuell betreibt etwa die Hochbahn in Hamburg rund 1.100 Busse. Bis 2030 sollen es mehr als 2.000 sein, also annähernd eine Verdoppelung des Fuhrparks. Und beim klimagerechten Umbau der Flotten in der Welt geht an der Elektromobilität kein Weg vorbei. Andere Technologien haben zu lange Entscheidungshorizonte. Das gilt auch für die Brennstoffzelle für mobile Anwendungen – angesichts von Kosten für Wasserstofftankstellen von 1 bis 2 Mio. Euro und des teuren Treibstoffs.

Die Chemie stimmt im Bus

Doch kann der E-Bus die Erwartungen erfüllen? Klare Antwort: Er kann, das kristallisiert sich in den vergangenen fünf Jahren mehr und mehr heraus. Denn auch im Busbereich steigt entsprechend die Energiedichte der Zellen und verändert sich die Zellchemie. Daher wird das Reichweitenproblem schon in den nächsten zwei bis drei Jahren der Vergangenheit angehören. Aktuell bewegt sich die Energiedichte bei Nfz-Batterien bei Werten um 250 Wh/kg auf Zellebene – mit starker Tendenz Richtung 300 Wh/kg. Bis Ende des Jahrzehnts dürfte ein Bereich von 400 bis 500 Wh/kg erreicht werden können. Schon aktuell schultern 12 m lange Standard-E-Busse Batterielasten von 400 bis 600 kWh. Damit sind Mindestreichweiten zu jeder Jahreszeit – auch bei stromfressendem Heizen im Winter – von 250 km möglich. Mit einer kurzen Zwischenladung – etwa über Ladeschienen auf dem Dach am invertierten Pantografen – lassen sich sogar schon heute Tagesumläufe von mehr als 300 km erzielen.

Der Einsatz einer Wärmepumpe zahlt sich über die Einsatzjahre in einer bis zu 60 Prozent erhöhten Reichweite im Winter aus. Bild: Claus Bünnagel

Die Kosten sinken

Auch bei den komplexeren Nutzfahrzeugbatterien werden die Kosten bei steigender Kapazität bis 2030 weiter sinken, auch wenn nicht mehr in der Rasanz wie seit 2010, als das kWh-Niveau bei Nutzfahrzeuganwendungen noch weit über 1.000 Euro lag. Gegenwärtig ist es bereits auf 250 bis 400 Euro gesunken. Marktüblich muss meist 300 bis 400 Euro/kWh gezahlt werden – nach rund 650 Euro/kWh vor drei bis vier Jahren. Bis 2025 wird konservativ gesehen ein Preis leicht oberhalb von 200 Euro/kWh erwartet, der bis 2030 auf 150 Euro/kWh absinkt, was 80 bis 100 Euro/kWh auf Zellebene entspricht. Preise und Kosten laufen bei Batteriezellen also offenbar gerade zusammen.

Dennoch hat auch eine flachere Batteriekostenkurve erhebliche Auswirkungen auf das künftige Preisniveau von E-Bussen. Kostet heute ein 500-kWh-Akku, wie man ihn gegenwärtig bereits in Solobussen sieht bzw. sehen wird, noch zwischen 150.000 und 225.000 Euro, fällt der Preis bis 2025 auf rund 125.000 bis 150.000 Euro und bis 2030 auf ca. 90.000 bis 100.000 Euro. Bei Gelegenheitsladern mit 200-kWh-Batterie müssen heute noch etwa 100.000 Euro für den Energiespeicher aufgewendet werden – 2025 nur noch rund 50.000 Euro und 2030 lediglich 40.000 Euro.

D.h. ein heute 500.000 Euro teurer E-Solo kostet 2030 wahrscheinlich nur noch 350.000 Euro, ein E-Gelenkbus rund 450.000 Euro. Das sind Bereiche, in denen der E-Bus wahrscheinlich schon ohne zusätzliche Förderung auskommt, denn er kann einen Teil seiner Mehrkosten gegenüber dem Dieselpendant durch die geringeren Treibstoff- und Wartungskosten hereinfahren. Zudem dürfte die Zyklenfestigkeit der Batterien weiter steigen und auf absehbare Zeit ein Level erreichen, das einen Einsatz bis zu 10 bis 15 Jahren ohne Akkutausch möglich macht. Denn auf den Prüfständen werden deutlich härtere Zyklen als im Alltagseinsatz gefahren. Schon heute wird die Lebensdauer der Batterien daher unterschätzt. Aktuelle Akkutypen sind dadurch wahrscheinlich langlebiger, als es die Gewährleistungsfristen der Batteriehersteller vermuten lassen.

In einem ganzheitlichen Ansatz sind Elektromotor, Traktionsumrichter, Hochvoltverteilung, Fahrsteuerung und Energiemanagement von Anfang an aufeinander abgestimmt. Bild: Claus Bünnagel

Praxisbeispiel Köln

Lässt sich das auch bereits durch Praxiswerte bestätigen? In der Tat! Gute Daten zu dieser Frage liefert die KVB in Köln, die Daten von acht E-Gelenkbussen gesammelt hat, die auf der Linie 133 laufen. Nach drei Jahren im Dauereinsatz lag die Restkapazität noch zwischen 91,8 und 93,4 %. Im Durchschnitt haben die Gelegenheitslader 7,3 % Batteriekapazität oder 11,3 kWh verloren, mithin also ein Verlust von durchschnittlich 2,4 % im Jahr, wobei die KVB in ihren Fahrzeugen bislang schnellladefähige LFP-Batterien verwendet.

Nach drei Jahren ist damit die Reichweite der Fahrzeuge im Schnitt um 4,46 km reduziert, was bei Gelegenheitsladern allerdings nicht das ganz große Problem darstellt, da sie sich mit 450 kW Leistung am Schnelllademast innerhalb von nur zwölf Minuten weitestgehend mit Energie versorgen lassen. Damit sinkt die maximale Reichweite um circa 7,7 km von 81,7 auf 73,9 km (ohne den Einsatz von Heizung und Klimaanlage). Schreibt man den jährlichen Verlust an nutzbarer Kapazität fort, dürften die E-Gelenkbusse nach rund sieben bis acht Jahren bei einem verbleibenden Wert von 80 % angelangt sein – ein kritischer Punkt, an dem zu entscheiden ist, ob der weitere Einsatz mit der ersten Batterie noch sinnvoll ist, um die nötigen Umläufe leisten zu können.

Nach der ersten Lernkurve bei Busherstellern und Betreibern steigt mittlerweile auch die Verfügbarkeit der Fahrzeuge. Die Busse 1 bis 8 konnten sich auf 84 % steigern, die später angeschaffte neunte Einheit lag bei einer Verfügbarkeit von 96 bis 97 % und damit auf dem Niveau eines Dieselpendants.

Auch in Sachen Verbrauch stellten sich im Laufe der Jahre Verbesserungen ein. Der Maximalwert im Winter bei Temperaturen von unter -10°C und Stau liegt mittlerweile bei 2,62 kWh. Nur ein Jahr vor dieser Messreihe hatten die Busse noch bis maximal 3,17 kWh Energie benötigt. Im Sommer mit Klimaanlageneinsatz und Stau werden in der Spitze 1,7 kWh verbraucht, ohne Bedarf von Thermomanagement 1,5 kWh. Klimatisierung bei warmen Temperaturen stellt also eine eher zu vernachlässigende Größe dar.

Die seit 2021 eingesetzte neue Generation weist bereits einen im Schnitt um 0,3 bis 0,4 kWh reduzierten Energiekonsum pro Kilometer auf, was die Einsatzmöglichkeiten natürlich deutlich erweitert.

Thermo- und Energiemanagement

Für den Auftrieb der Elektromobilität im ÖPNV sorgen auch erhebliche technologische Fortschritte in den Bereichen Thermo- und Energiemanagement. Konvekta hat bereits vor einigen Jahren als weltweit erster Hersteller eine CO2-Klimaanlage für Busse mit Wärmepumpenfunktion auf den Markt gebracht; andere Hersteller haben mittlerweile nachgezogen. Der Einsatz der Konvekta-Wärmepumpe zahlt sich über die Einsatzjahre nicht nur in einer bis zu 60 % erhöhten Reichweite im Winter aus, sondern auch finanziell. Folgende Beispielrechnung machen wir für den Einsatz auf: Bei Umläufen von 150 km am Tag und 300 Betriebstagen per anno weist sie in der repräsentativen deutschen Stadt wie z.B. Berlin einen jährlichen Energiebedarf von gut 6.100 kWh auf. Zum Vergleich die R134a-Wärmepumpe bzw. -Klimaanlage: ca. 12.000 bzw. 13.000 kWh. Damit erzeugt das Thermomanagement jährliche Energiekosten von 925 Euro (CO2-Wärmepumpe), 1.800 Euro (R134a-Wärmepumpe) oder 2.000 Euro (R134a-Klimaanlage). Die gesamten Betriebskosten pro Jahr betragen 1.150 Euro, 2.300 Euro bzw. 2.500 Euro. Der Mehrpreis für die CO2-Wärmepumpe amortisiert sich daher relativ schnell, zumal sie förderfähig ist. Gegenüber der R134a-Wärmepumpe ermöglicht ein mit CO2-Wärmepumpe ausgerüsteter Bus somit eine Reichweitenerhöhung von im Schnitt ca. 15 %, einen verringerten Energieeinsatz von rund 50 % und eine Reduzierung der Betriebskosten um etwa 1.200 Euro pro Jahr. Auch die CO2-Emissionen sinken deutlich um ca. 2.900 kg.

Außer der Energieminimierung im E-Bus durch ein optimiertes Thermomanagement bieten sich aber noch weitere Möglichkeiten des Stromsparens. Einen besonders spannenden, ganzheitlichen Ansatz bieten Lösungen wie das Voith Electrical Drive System (VEDS): Dabei sind alle Komponenten von Anfang an perfekt aufeinander abgestimmt und arbeiten optimal zusammen – angefangen bei den Hardwarekomponenten wie Elektromotor, Traktionsumrichter und Hochvoltverteilung bis hin zu den Softwarekomponenten wie Fahrsteuerung und Energiemanagement. Vorteile: Zum einen lässt sich das Rekuperationssystem auf besonders hohe und minutenlange Leistungsaufnahme auslegen, was die Effizienz des Antriebs steigert. Zum anderen kann die aufgenommene Energie nicht nur in die Traktionsbatterie, sondern direkt und vorzugsweise über die Umrichter an die Hilfsaggregate geleitet werden. Denn das ist effizienter als der Umweg über die Batterie, der beim Laden und Entladen jedes Mal wirkungsgradbehaftet ist, was Verluste von 6 bis 8 % nach sich zieht.

Leichte Revolutionäre

Auch das Thema Fahrzeuggewicht spielt künftig eine immer wichtigere Rolle im Reichweitenmanagement. Viele Elektrobusse basieren heute noch auf Dieselbusmodellen, sprich sie sind nicht für einen elektrischen Antriebsstrang und die speziellen technischen Bedürfnisse eines Stromers konzipiert. Sie sind schwer – vor allem durch massive Aufbauten mit verstärkten Dachkonstruktionen, um die Batterielast tragen zu können. Als erster Hersteller hat Proterra, ein reiner E-Bus-Hersteller aus Kalifornien, vor wenigen Jahren damit begonnen, die Batterien im Fahrzeugboden zu platzieren. Als erste europäischen Busbauer haben inzwischen die niederländischen Unternehmen Ebusco und VDL diesbezüglich nachgezogen.

Die Platzierung von nur 15 bis 20 cm hohen Batteriepaketen zwischen den Achsen ist nicht das einzige Revolutionäre dieses Ansatzes. Beide Unternehmen setzen zudem Leichtbauweise teilweise in Carbonausführung ein. Nur 8,5 bis 9 t bringt beispielsweise der 12 m lange Ebusco 3.0 auf die Waage. Zum Vergleich: E-Busse, die aus Dieselmodellen abgeleitet wurden, liegen mit in etwa gleicher Länge bei 13 bis 14,5 t. Reichweiten von 450 bis 500 km auch ohne stark erhöhte Batterielast werden auf diese Weise schon bald Realität.