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Der Akku ist der neue Wertschöpfungsmotor
Bild: Robert Domina
Bild: Robert Domina
Schlüsseltechnologie der Elektromobilität
Die Batterie ist die Schlüsseltechnologie der Elektromobilität. Für die deutschen Hersteller bedeutet das eine anstrengende Aufholjagd in Forschung & Entwicklung, aber auch in der Produktion. Das Rennen ist in vollem Gang.
Laut einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens „PwC Strategy&“ werden in Zukunft bis zu 70 Milliarden Euro, das entspricht 70 Prozent der Wertschöpfung des Elektroantriebs, mit der Verarbeitung von Batteriewerkstoffen, der Herstellung von Batteriezellen und Zellmodulen sowie der Montage von Batteriesystemen verbunden sein. Die Chancen für Elektrofahrzeuge hängen der Studie zufolge von der Etablierung einer tiefen EU-Batterielieferkette ab.
Beauftragt hat die Untersuchung der europäische Verband der Automobilzulieferer CLEPA. Man wollte herausfinden, welche Auswirkungen drei unterstellte Green-Deal-Politikszenarien auf Beschäftigung und Wertschöpfung bei Automobilzulieferern haben. Untersucht wurde ein gemischter Technologieansatz, der reine EV-Ansatz aus dem Fit-for-55-Paket und ein radikales EV-Intensivierungsszenario. Die angenommenen Marktanteile für Elektrofahrzeuge liegen in den drei Ansätzen bis 2030 bei 50, 80 und nahezu 100 Prozent.
„Die Automobilindustrie hat sich in den letzten Jahren auf eine gemeinsame Richtung geeinigt, um CO2-neutrale Fahrzeuge auf die Straßen zu bringen. Während die Elektrifizierung einerseits Arbeitsplätze im konventionellen Antriebsstrang gefährdet, werden andererseits in Zukunft andere Qualifikationen in Bereichen wie Software oder Infrastruktur benötigt. Die zukünftige Wertschöpfung und Schaffung von Arbeitsplätzen in Antriebstechnologien hängen stark von einer Batterieproduktion in Europa ab“, so Felix Kuhnert, Partner und Global Automotive Leader bei PwC Deutschland.
Wohin mit den Batterien?
Eine weitere Frage der zunehmenden Elektrifizierung ist die Verwertung der Lithium-Ionen-Akkus, die dadurch in Umlauf kommen. Forscher des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung haben in einer weiteren Studie ermittelt, dass in der EU bis zum Jahre 2030 rund 2,5 Megatonnen neuer Batterien benötigt werden. Demgegenüber stehen demnach im Jahr 2040 bis zu 1.500 Kilotonnen jährlich an zu recycelnden Lithium-Ionen Altbatterien und Batteriekomponenten. Wie auch bei der Herstellung von Batterien ist Asien hier führend. In China beispielsweise ist die Batterierecyclingindustrie heute bereits deutlich größer als in Europa, sodass praktische Erfahrungen mit den Verfahren und Anlagen vorliegen.
Dennoch könnte sich Europa noch zu einem Leitmarkt für ein grünes und hocheffizientes Batterierecycling entwickeln. Der deutsche und europäische Maschinen- und Anlagenbau mit seiner Erfahrung in der Industrialisierung innovativer Technologien, könne ein Schlüsselpartner sein, um diese politischen, ökologischen und wirtschaftlichen Ziele zu erreichen. „Dafür wird in Europa Anlagentechnik benötigt, die je nach Geschwindigkeit des Marktwachstums und des globalen Anteils europäischer Recyclingkapazitäten Investitionen in Höhe von etwa 6,6 Milliarden Euro bis 2040 erfordern“, erklärt Christoph Neef, der am Fraunhofer ISI zur Batterie-Thematik forscht und die Studie koordiniert hat.
Sollte es gelingen, eine europäische Recyclingindustrie aufzubauen, sei es möglich, bis 2040 durch Rezyklate mehr als 40 Prozent der Kobalt- und mehr als 15 Prozent der Lithium-, Nickel- und Kupfer-Bedarfe der Batterieproduktion in Europa zu decken.
Weiternutzen statt recyceln
Vor dem Recycling von Lithium-Ionen-Akkus aus Fahrzeugen könnte aber in vielen Fällen deren Weiternutzung als stationäre Batterie stehen. Daimler etwa bringt über seine Tochter Mercedes-Benz Energy und die Partner Getec Energie und The Mobility House Großspeicher aus elektroautomobilen Batteriemodulen an das öffentliche Stromnetz. Bereits 2016 eröffnete man einen 12,8 MWh starken 2nd-Life Batteriespeicher in Lünen, in Hannover steht ein 17,4 MWh Ersatzteilspeicher. Und in Elverlingsen/Südwestfalen wurden in einer Anlage insgesamt 1.920 Batteriemodule zu einem „lebenden Ersatzteillager“ für die Fahrzeugflotte der dritten Elektro-Smart-Generation gebündelt. Mit einer installierten Leistung von rund 9 Megawatt und einer Energiekapazität von 9,8 MWh steht der Batteriespeicher dem Energiemarkt unter anderem zur Erbringung von Primärregelleistung zur Verfügung. Seine modulare Bauweise ermöglicht dem System, vollautomatisiert ununterbrochen das Stromnetz mit Regelleistung zu stabilisieren.
Ein weiteres bemerkenswertes Projekt kommt von der JT Energy Systems GmbH. Das Joint Venture des Flurförderzeugherstellers Jungheinrich mit dem Batteriespezialisten Triathlon baut im sächsischen Freiberg einen Batteriespeicher mit einer Spitzenleistung von 25 MW. Die Umsetzung des Projekts erfolgt durch die Großbatteriespeicherexperten der lokalansässigen Tricera Energy GmbH. Die Fertigstellung ist für Herbst 2022 geplant. Der Großspeicher besteht unter anderem aus gebrauchten Lithium-Ionen-Batteriemodulen, die nach ihrem Einsatz im Elektrostapler und dem Automotive-Bereich hier weiterverwendet werden.
Batterieproduktion vor der Haustür
Die Fahrzeughersteller haben längst die Weichen für die batterieelektrische Zukunft gestellt. Um seinen steigenden Zellbedarf zu decken, plant etwa der Volkswagen-Konzern den Aufbau von sechs Fabriken. Bereits 2025 soll die Produktion der „Einheitszellen“ für das Volumensegment in Salzgitter starten. In der ersten Ausbaustufe soll die Fabrik 20 Gigawattstunden Jahreskapazität produzieren, später ist eine Verdoppelung auf 40 GWh geplant. „Wir wollen unseren Kunden leistungsstarke, günstige und nachhaltige Fahrzeugbatterien bieten – und dafür alle erfolgskritischen Etappen der Batterie-Wertschöpfung besetzen“, sagt Thomas Schmall, Konzernvorstand Technik der Volkswagen AG. Die neuen Aufgaben im Konzern reichen von der Rohstoffverarbeitung über die Entwicklung der Volkswagen-Einheitszelle bis zur Steuerung der europäischen Gigafabriken. Außerdem will man auch neue Geschäftsmodelle rund um die Weiterverwendung ausgedienter Akkus bis hin zum Recycling der Rohstoffe ins Auge fassen.
Unterstützung beim Aufbau der Batterieproduktion holt sich VW bei Bosch. Die beiden Unternehmen wollen gemeinsam integrierte Batterieproduktionssysteme entwickeln sowie Batteriezellen- und Systemherstellern beim Hochlauf und der Wartung vor Ort Hilfestellung geben. Gestartet wurde mit der Einrichtung eines „Projekthauses“, um die Industrialisierungslösungen zur Batterieproduktion in Europa auszuloten. Bis Ende 2022 soll dann die Gründung eines konkreten Unternehmens vorbereitet werden.
Mercedes-Benz arbeitet an Feststoff-Akkus
Und die anderen Fahrzeughersteller? Mercedes-Benz und der US-Akkuspezialist Factorial Energy haben eine Technologiekooperation vereinbart. Ziel sei die gemeinsame Entwicklung von fortschrittlichen Batterietechnologien, angefangen bei der Zelle über Module bis hin zur Integration in die Fahrzeugbatterie. Man wolle die eigene Expertise in der Batterieentwicklung und Fahrzeugintegration mit dem Know-how von Factorial im Bereich der Feststoffbatterie koppeln. Innerhalb von fünf Jahren soll der erste Einsatz der Technologie in kleinen Serien in einer begrenzten Anzahl von Fahrzeugen erfolgen.
Aus heutiger Sicht gelten Feststoffbatterien als eine der vielversprechendsten Technologien im Bereich der E-Mobilität. Der entscheidende Unterschied besteht im Einsatz eines Elektrolyts aus festem Material anstelle des üblicherweise verwendeten flüssigen Elektrolyts. Der Elektrolyt wird benötigt, um beim Laden und Entladen der Batterie Ionen zwischen den Elektroden hin und her zu transportieren. Factorial Energy hat Feststoffbatterien entwickelt, die eine um 20 bis 50 Prozent größere Reichweite pro Ladung sowie erhöhte Sicherheit bei vergleichbaren Kosten mit herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien bieten sollen.
VW mit Know-how von Apple
Auch Volkswagen holt sich zur Weiterentwicklung der eigenen Batterien Experten an Bord. So verpflichtete man Soonho Ahn, der zuletzt als Global Head of Battery Development die Batteriezelltechnologie von Apple verantwortete. Von BMW wechselt der Feststoffzellen-Experte Jörg Hoffmann zu den Wolfsburgern.
Ahn gilt laut „Manager Magazin“ als Superstar in der Branche. Er war erst 2019 von den Zellherstellern Samsung SDI und LG Energy Systems zu Apple gewechselt und hat dort die Batterietechnologie der Kalifornier entscheidend vorangebracht. Experten rechnen damit, dass die Verpflichtung des Südkoreaners als CTO Battery Division zu kurzfristigen Verbesserungen in der Zelltechnologie führen wird.
Hoffmann soll sich um künftige Batterie-Generationen kümmern. Der bisherige Leiter des Feststoffzellen-Programms bei BMW wird für die industrielle Umsetzung der Feststoffzellen-Technologie im Konzern zuständig sein. Frank Blome, Leiter des Centers of Excellence Batteriezelle, hatte beim hausinternen „Power Day“ im März dieses Jahres die Solid-State-Batterie als Ziel der Strategie bezeichnet.